ChatGPT am Arbeitsplatz – Mitbestimmungspflichtig, oder nicht?
Die Implementierung von KI-Technologien wirft komplexe rechtliche und tatsächliche Herausforderungen auf. Der Betriebsrat hat gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) in bestimmten Angelegenheiten Mitbestimmungsrechte, insbesondere wenn es um technische Veränderungen geht, die die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter beeinflussen. Die bekannteste und wohl bisher auch verbreitetste KI-Anwendung stellt ChatGPT dar. Die Frage, ob der Betriebsrat bei der Einführung von KI-Technologien wie ChatGPT einbezogen werden muss, ist von zentraler Bedeutung. Denkbar sind in diesem Lichte vor allem Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG.
Was ist ChatGPT eigentlich?
Um zu prüfen, ob dem Betriebsrat bei der Einführung von ChatGPT Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs.1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG zustehen können, muss zunächst einmal das System und die Funktionsweise von ChatGPT kurz beleuchtet werden. Also stellt sich die Frage: Was ist ChatGPT eigentlich?
Bei ChatGPT handelt es sich um einen Chatbot, der auf künstlicher Intelligenz und dem sogenannten „Deep Learning“ basiert. ChatGPT nutzt diese Technologien, um auf abgesetzte Anfragen von Nutzern unmittelbar zu antworten. Hierbei werden umfangreiche Datenmengen durchsucht und verarbeitet, deren genaue Quellen und Aktualität aber oftmals schwer nachzuvollziehen sind. Ein weiteres Merkmal von ChatGPT ist seine Fähigkeit, aus den Eingaben der Anwender zu lernen und sich so kontinuierlich zu verbessern.
Arbeitgeber könnten den Chatbot – je nach ihrem konkreten Tätigkeitsfeld - in ihre internen Abläufe einbinden, während auch die Mitarbeiter ihn eigenständig nutzen könnten. Trotz der vielen Potenziale birgt die Nutzung von ChatGPT aber auch eine Reihe von Risiken, insbesondere im rechtlichen Bereich. Die Herkunft der generierten Antworten ist nicht immer transparent, was zu möglichen Urheberrechtsverletzungen oder Verstößen gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz führen kann. Zudem werfen die Verarbeitung personenbezogener Daten und die Speicherung in den USA datenschutzrechtliche Fragen auf.
Die Integration von ChatGPT in den Arbeitsalltag
Arbeitnehmer schulden die Erbringung ihre Arbeitsleistung grundsätzlich höchstpersönlich. Dies ergibt sich bereits aus der Natur des Arbeitsvertrags. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, seine Arbeitsleistung im Rahmen seiner individuellen Leistungsfähigkeit zu erbringen. Dabei schuldet er keine objektive Durchschnittsleistung, sondern diejenige individuell zu bestimmende Leistung, die er bei angemessener Anspannung seiner geistigen und körperlichen Kräfte auf Dauer ohne Gefährdung seiner Gesundheit leisten kann. Aufgrund der vorgenannten vertraglichen Leistungspflichten, kann ein Arbeitnehmer, die von ihm zu erbringenden Leistungen nicht ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber durch die Anwendung von Technologien künstlicher Intelligenz ausführen lassen. Vorstehend hatten wir bereits die Chancen, aber auch die möglichen Probleme bei der Implementierung von Modulen künstlicher Intelligenz in den Arbeitsalltag aufgezeigt. Der Arbeitgeber hat sodann eine Entscheidung für oder gegen die Nutzungsmöglichkeit künstlicher Intelligenz zu treffen. Dabei sind verschiedene Anwendungskonstellationen denkbar:
Es erscheint möglich, den Arbeitnehmern die Nutzung von KI-Tools anheimzustellen oder sie zur Nutzung solcher Tools zu verpflichten. Ebenso ist es möglich, dass betriebsintern eine eigene KI-Infrastruktur geschaffen wird oder dass Arbeitnehmer - bei einem entsprechenden Nutzungswillen - auf bestehende private Accounts von KI-Anwendungen zurückgreifen müssen. Welcher dieser Wege eingeschlagen wird, ist individuell festzulegen und hat sich an den betrieblichen Gegebenheiten zu orientieren. Eins haben die vorgenannten Nutzungswege allerdings gemeinsam: Soweit KI-Tools wie ChatGPT zur Anwendung kommen, kann sich der Arbeitsalltag der Arbeitnehmer durchaus fundamental verändern.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg, Beschluss vom 16.1.2024 – 24 BVGa 1/24
Das Arbeitsgericht Hamburg hatte sich in einer jüngeren Entscheidung mit der berufsbezogenen Verwendung von KI-Tools, in diesem Falle ChatGPT, zu beschäftigen.
Konkret ging es darum, dass ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern – ohne die Einbeziehung des Betriebsrates – erlaubte sich bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistungen der KI-Anwendung ChatGPT zu bedienen. Der Arbeitgeber erließ eine entsprechende Arbeitsanweisung, mit welcher er den Arbeitnehmern die Nutzung von ChatGPT gestattete, sofern diese über private Anwendungsaccounts verfügten oder die Programme über öffentlich zugängliche Browser verwendeten. Lediglich ein arbeitnehmerseitiger Nutzungshinweis musste erfolgen, soweit Arbeitsergebnisse unter Einbeziehung von ChatGPT zustande gekommen waren. Gleichzeitig hob der Arbeitgeber eine zuvor eingeführte Sperrung des Zugriffs auf die entsprechenden Webadressen auf. Eine Pflicht zur Nutzung von ChatGPT bestand für die einzelnen Arbeitnehmer ausdrücklich nicht.
Selbst wollte der Arbeitgeber aber weder eine eigene betriebsinterne KI-Infrastruktur schaffen noch entsprechende Programme in die firmeneigenen Systeme einbetten. Aufgrund der ausschließlichen Nutzung rein privater Accounts durch die Arbeitnehmer erhielt der Arbeitgeber keinerlei Informationen darüber, wann, wie und wer ChatGPT nutzte oder welche Arbeitnehmer überhaupt einen entsprechenden Account eingerichtet haben.
Betriebsrat verlangte Nutzungsuntersagung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren
Der Betriebsrat des Arbeitgebers zeigte sich über die Zulassung der Nutzung von KI-Tools sowie der damit verbundenen Arbeitsanweisung nicht begeistert und verlangte im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die sofortige Untersagung der Nutzungszulassung. Hintergrund der Anrufung des Arbeitsgerichts Hamburgs durch den Betriebsrat war dabei, dass sich der Betriebsrat bei dem beteiligungslosen Erlass der KI-Arbeitsanweisung in seinen Mitbestimmungsrechten verletzt sah.
Der Betriebsrat argumentierte, dass die Vorgaben zur Nutzung von KI-Tools Regelungen zur Ordnung im Betrieb darstellten, weshalb das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zur Anwendung käme. Zudem habe der Arbeitgeber auch gegen das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG verstoßen, da die Nutzung von ChatGPT und die Eingabe von Daten in den Browser als Einführung einer technischen Einrichtung betrachtet werden müssten. Weiter argumentierte der Betriebsrat, dass sich aus der Nutzung von KI-Tools über den Browser ablesen ließe, wann und wie durch die Arbeitnehmer gearbeitet werde würde, was dem Arbeitgeber ermöglichen würde, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Daher seien die Voraussetzungen für die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung erfüllt. Da der Arbeitgeber jedoch keine entsprechende Vereinbarung mit dem Betriebsrat getroffen habe, müsse die Nutzung der KI untersagt werden.
Das Arbeitsgericht Hamburg wies den Antrag des Betriebsrats ab und legte in seinem Beschluss die folgenden Erwägungen nieder:
- Wendet man die Grundsätze der ständigen BAG-Rechtsprechung an, so fallen die Vorgaben zur Nutzung von ChatGPT und vergleichbarer Tools unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Der Arbeitgeber stellt seinen Arbeitnehmern ein neues Arbeitsmittel unter bestimmten Bedingungen zur Verfügung. Richtlinien, Handbuch usw. sind somit Anordnungen, welche die Art und Weise der Arbeitserbringung betreffen, weshalb kein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs 1 Nr. 1 BetrVG besteht.
- Wenn der Arbeitnehmer selbst einen Account bei ChatGPT anlegen und eventuell entstehende Kosten auch selbst tragen muss, erhält der Arbeitgeber keinerlei Meldung, wann welcher Arbeitnehmer wie lange und mit welchem Anliegen ChatGPT genutzt hat. Dass der Hersteller etwa von ChatGPT die vorgenannten Daten aufzeichnet, ist zu unterstellen. Dies führt aber nicht zur Mitbestimmung, denn der dadurch entstehende Überwachungsdruck wird nicht vom Arbeitgeber ausgeübt. Dieser kann auf die vom Hersteller gewonnenen Informationen nicht zugreifen.
- Auch die Vorgabe, dass Arbeitnehmer Arbeitsergebnisse, die mittels Unterstützung von Künstlicher Intelligenz entstanden sind, kennzeichnen müssen, führt nicht zu einem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs 1 Nr. 6 BetrVG. Die technische Einrichtung müsste die Überwachung selbst bewirken, um eine Mitbestimmung auszulösen. Die Kennzeichnung und die damit verbundene Kontrollmöglichkeit, wer Chatbots einsetzt, erfolgt aber hier durch den Arbeitnehmer selbst und nicht durch das Tool.
Praxishinweise
Der Arbeitsalltag vieler Arbeitnehmer wird sich in den nächsten Jahren durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz vermutlich zunehmend verändern. Ob und inwieweit die Nutzung von KI für den Einzelnen sinnvoll ist und wie eine Nutzung konkret ausgestaltet sein sollte, lässt sich pauschal nicht beantworten und hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab.
Wenngleich das Arbeitsgericht Hamburg den Antrag des Betriebsrates in diesem Fall vollumfänglich abwies und keinerlei Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats erkannte, sollte die zitierte Entscheidung mit Vorsicht genossen werden. Bei der vorgenannten Entscheidung handelt es sich um eine der ersten ihrer Art. Es fehlt insbesondere an entsprechender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu dieser Thematik. Bei der Lektüre der zitierten Entscheidung sollte besonders beachtet werden, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Einführung einer betriebseigenen KI-Nutzungsstruktur durch den Arbeitgeber ging. Vielmehr wurde den Arbeitnehmern lediglich die Nutzung ihrer eigenen, rein privaten ChatGPT-Accounts im beruflichen Kontext gestattet.
Dass die fortschreitende Entwicklung von künstlicher Intelligenz und die Integration von entsprechenden Anwendungstools in den Arbeitsalltag eine Vielzahl von mitbestimmungspflichtigen Fragen aufweist, dürfte dabei im Grunde nicht von der Hand zu weisen sein. Allerdings macht die Entscheidung der Kammer sehr deutlich, dass es maßgeblich auf den Nutzungseinsatz im jeweiligen Einzelfall ankommt. Denn wenn KI-Systeme über private Mitarbeiterkonten genutzt werden und deren die Nutzung in das Belieben der Belegschaft gestellt werden, fällt die Nutzung von ChatGPT unter das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten. Fehlt es dazu noch an einer Installation der KI-Systeme auf die unternehmensseitige IT-Struktur, steht dem Arbeitgeber nach dem ArbG Hamburg auch kein Zugriff auf die Daten der Beschäftigten zu. Da es dann nach der gerichtlichen Begründung an Sinn und Zweck orientierten Auslegung an einem Überwachungsdruck fehlt, ermangelt es auch einer technischen Überwachungseinrichtung. Wenn sich in den Arbeitsanweisungen aber nur kleinere Anpassungen hierzu ergeben, kann dennoch schnell ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats relevant werden. Vorsicht im Hinblick auf mögliche Beteiligungsrechte des Betriebsrats ist in jedem Fall immer dann geboten, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmern selbst die KI-Strukturen zur Verfügung stellt, da die Schaffung einer solchen Infrastruktur oft mit unmittelbaren Überwachungsmöglichkeiten des Nutzerverhaltens durch den Arbeitgeber einhergehen wird.