Das Arbeitszeugnis – Dos and Don’ts
Das Arbeitszeugnis ist nicht nur eine formale Pflicht, sondern auch ein wichtiges Dokument, das die berufliche Zukunft Ihrer Mitarbeiter beeinflussen kann. Eine präzise und wohlwollende Formulierung ist entscheidend, um Missverständnisse und rechtliche Konflikte zu vermeiden. Wir zeigen Ihnen auf, was Sie beim Verfassen von Arbeitszeugnissen beachten sollten.
1. Gesetzliche Grundlage
Bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer gemäß § 109 GewO das Recht, von Ihnen als Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis über die erbrachte Arbeitsleistung und das Verhalten zu verlangen. Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Arten von Zeugnissen: dem einfachen Zeugnis, das lediglich die Art und Dauer der Beschäftigung dokumentiert, und dem qualifizierten Zeugnis, das zusätzlich die Leistungen und das Verhalten des Arbeitnehmers bewertet.
Beide Zeugnisarten müssen die Grundsätze der Vollständigkeit, Einheitlichkeit, Klarheit und Wahrheit erfüllen. Diese Anforderungen erscheinen zwar auf den ersten Blick klar und nachvollziehbar, können jedoch in der praktischen Umsetzung zu Herausforderungen führen. Oft stehen Arbeitgeber vor der Frage, wie weit ihre individuelle Gestaltungsfreiheit und ihr Beurteilungsspielraum innerhalb dieser Vorgaben tatsächlich reichen. Es ist entscheidend, diese Aspekte im Blick zu behalten, um rechtssichere Arbeitszeugnisse auszustellen.
2. Do‘s
Der Arbeitgeber hat einen Beurteilungsspielraum und die Formulierungshoheit über das Zeugnis. Es gilt der Grundsatz des wohlwollenden Zeugnisses, bei dem die Sichtweise des objektiven Empfängerhorizonts als Maßstab herangezogen wird. Der Arbeitnehmer kann daher nicht auf bestimmte, von ihm bevorzugte Formulierungen bestehen (vgl. BAG 15.11.2011 – 9 AZR 386/10, BeckRS 2012, 67197).
- Das Arbeitszeugnis muss bestimmte formale Anforderungen erfüllen, um als ordnungsgemäß zu gelten. Dazu gehört, dass das Dokument als „Zeugnis“ betitelt und maschinell oder schriftlich sauber erstellt wird. Es sollte auf dem üblichen Geschäftspapier des Unternehmens im DIN-A4-Format ohne Flecken, Korrekturen, Risse oder andere sichtbare Mängel verfasst sein. Eine unauffällige, einheitliche Formatierung ist erforderlich, weshalb spezielle Hervorhebungen wie Anführungs- oder Ausrufezeichen, Fettdruck, Kursivschrift und Unterstreichungen nicht erlaubt sind (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 28.11.2023 – 26 Ta 1198/23). Es darf gefaltet, gelocht und getackert werden, allerdings müssen Kopien ohne Faltungsknick möglich sein (vgl. LAG Rheinland-Pfalz. Urt. v. 09.11.2017 – 5 Sa 314/17).
- Es ist nicht zwingend erforderlich, dass das Zeugnis vom bisherigen Arbeitgeber selbst oder seinem gesetzlichen Vertretungsorgan gefertigt und unterzeichnet wird. Der Arbeitgeber kann einen unternehmensangehörigen Vertreter als Erfüllungsgehilfen beauftragen, das Zeugnis in seinem Namen unter Angabe des Vertretungsverhältnisses und die Funktion des Unterzeichners zu erstellen (vgl. BAG, Urt. v. 26. 6. 2001 - 9 AZR 392/00).
- Das Zeugnisdatum hat den Tag der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu bezeichnen, nicht dagegen den Tag, an dem das Zeugnis tatsächlich physisch ausgestellt worden ist. Im Arbeitsleben hat sich die weit verbreitete und vom BAG auch gebilligte Gepflogenheit herausgebildet, in ein Arbeitszeugnis als Zeugnisdatum das Datum der rechtlichen Beendigung aufzunehmen. Diese Vorgehensweise schafft nicht nur Rechtssicherheit, sondern verhindert potenzielle Spekulationen, ob zwischen den Arbeitsvertragsparteien ein Streit über Erteilung und Inhalt des Zeugnisses ausgetragen worden ist (vgl. LAG Köln, Urt. v. 27.03.2020 – 7 Ta 200/19).
3. Don’ts
- Die Ausstellung des Zeugnisses in elektronischer Form ist nach § 109 Abs. 3 GewO ausgeschlossen.
- Eine tabellarische Auflistung der Leistungs- und Verhaltensbeurteilung im Arbeitszeugnis ist laut Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urt. v. 27.4.2021 – 9 AZR 262/20) unzulässig. Die individuelle Bewertung von Leistung und Verhalten, die ein qualifiziertes Arbeitszeugnis erfordert, kann in der Regel nur durch eine zusammenhängende Darstellung im Fließtext angemessen wiedergegeben werden. Nur so können die spezifischen Nuancen und individuellen Merkmale des Mitarbeiters ausreichend dargestellt werden.
- Das Zeugnis darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der Wortwahl ersichtliche Aussagen über den Arbeitnehmer zu treffen, § 109 Abs. 2 S. 2 GewO. Zur Beurteilung der beanstandeten Formulierung eines „Geheimcodes“ wird aus Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abgestellt und berücksichtigt den gesamten Inhalt des Zeugnisses (vgl. BAG, Urt. v. 15.11.2011 – 9 AZR 386/20).
- Die Schlussformel kann nicht wieder nachträglich aus dem Zeugnis gestrichen werden. Ein Anspruch auf eine Schlussformel (sog. Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel) ergibt sich weder aus dem Zeugniserteilungsanspruch nach § 109 GewO noch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder dem Rücksichtnahmegebot. Auch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird eine solche nicht von den Arbeitgebern verlangt (vgl. BAG, Urteil vom 06.06.2023 - 9 AZR 272/22).
Wenn jedoch der Arbeitgeber einmal Dank und gute Wünsche im Arbeitszeugnis ausgesprochen hat, ist er daran gebunden, auch wenn der Arbeitnehmer mehrfach Verbesserungswünsche und Zeugniskorrekturen verlangt hat. Andernfalls liegt ein Verstoß gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot nach § 612a BGB vor, welches auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses weitergilt.
4. Rechte des Arbeitnehmers
Sollte das ausgestellte Zeugnis in seiner Beurteilung oder den formellen Angaben fehlerhaft sein, kann der Arbeitnehmer eine Korrektur verlangen. Weigert sich der Arbeitgeber, diese vorzunehmen, kann der Arbeitnehmer eine Klage auf Berichtigung beim Arbeitsgericht einreichen. Wenn der Arbeitnehmer eine überdurchschnittliche Beurteilung im Zeugnis erstrebt, muss er entsprechende Leistungen vortragen und gegebenenfalls beweisen (vgl. BAG, Urt. v. 18.04.2014 – 9 AZR 584/13).
Anders verhält es sich bei formellen Fehlern, wie einem falschen Ausstellungsdatum oder Tippfehlern, die vom Arbeitgeber grundsätzlich umgehend zu korrigieren sind.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Recht auf Zeugnisberichtigung nicht unbegrenzt besteht. Grundsätzlich gilt für den Berichtigungsanspruch die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Auch Ausschlussfristen in Arbeits- oder Tarifverträgen können zur Verwirkung des Berichtigungsanspruchs führen, wenn die Frist für die Geltendmachung verstrichen ist.
Besondere Sorgfalt ist zudem beim Zwischenzeugnis erforderlich: Will der Arbeitgeber von der im Zwischenzeugnis vorgenommenen Bewertung abweichen, muss er die Abweichung im Streitfall begründen können. Dies schützt den Arbeitnehmer davor, dass ein positives Zwischenzeugnis nachträglich ohne Grund in ein negatives Licht gerückt wird.
Um rechtliche Konflikte bei der Zeugniserstellung zu vermeiden, sollten Arbeitgeber dafür Sorge tragen, dass das Arbeitszeugnis mit der nötigen Sorgfalt und Genauigkeit ausgestellt wird. Dem Arbeitnehmer kann vor der endgültigen Ausstellung des Arbeitszeugnisses einen Entwurf zur Einsichtnahme vorgelegt werden, um etwaige Unstimmigkeiten frühzeitig zu klären.
5. Fazit
Eine sorgfältige und rechtskonforme Zeugniserstellung ist daher unerlässlich, um Missverständnisse und spätere Konflikte zu vermeiden. Die Beachtung der grundlegenden „Do's and Don'ts“ bei der Formulierung des Zeugnisses bietet eine solide Grundlage, um rechtliche Fallstricke zu umgehen und gleichzeitig ein objektives, wohlwollendes Zeugnis zu gewährleisten.
Ein entscheidender Schritt in diesem Prozess ist, den Arbeitnehmer gegebenenfalls in den Entwurfsprozess einzubeziehen. Dies bietet die Möglichkeit, potenzielle Missverständnisse frühzeitig auszuräumen und eine klare, faire Kommunikation zu fördern. Letztlich sorgt eine gründliche und rechtlich fundierte Erstellung eines Arbeitszeugnisses nicht nur dafür, dass mögliche Rechtsstreitigkeiten im Vorfeld verhindert werden.