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Veränderungen beim Mutterschutz

Tipps zur praktischen Umsetzung des Mutterschutzes bei Fehlgeburten

Veränderungen beim Mutterschutz

Am 30. Januar 2025 hat der Bundestag einstimmig das „Gesetz zur Anpassung des Mutterschutzgesetzes und weiterer Gesetze – Anspruch auf Mutterschutzfristen nach einer Fehlgeburt“ („Mutterschutzanpassungsgesetz“) beschlossen, das am 1. Juni 2025 in Kraft tritt. Diese Reform bringt eine bedeutende Neuerung: Erstmals erhalten Frauen, die eine Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche erleiden, einen gesetzlichen Anspruch auf Mutterschutz.

1. Bisherige Rechtslage

Bisher hatten Frauen, die eine Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche erlitten haben, lediglich einen Kündigungsschutz für einen Zeitraum von bis zu vier Monaten gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MuSchG. Ein Anspruch auf die regulären Mutterschutzfristen nach § 3 des Mutterschutzgesetzes bestand für diese Frauen jedoch nicht.

Der § 3 MuSchG gewährt Frauen in der Regel sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt eine Schutzfrist, in der sie nicht arbeiten müssen. Voraussetzung für diesen Mutterschutz war jedoch bisher eine „Entbindung“, wobei das Gesetz diesen Begriff nicht näher definierte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) orientierte sich dabei an der Personenstandsverordnung (PStV), wonach eine Totgeburt vorliegen musste, um die Schutzfristen zu beanspruchen.

Nach (noch) aktueller Rechtslage unterscheidet man zwischen:

  • Fehlgeburt: Schwangerschaftsverlust vor der 24. Woche und mit einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm → Kein Mutterschutz, nur Krankschreibung möglich
  • Totgeburt: Schwangerschaftsverlust nach der 24. Woche oder mit einem Geburtsgewicht ab 500 Gramm → Mutterschutzfristen gelten in vollem Umfang

Diese Regelung führte dazu, dass Frauen mit einer Fehlgeburt keinen Anspruch auf eine Schutzfrist hatten, obwohl die körperlichen und emotionalen Belastungen oft erheblich sind. Die einzige Möglichkeit für eine Auszeit besteht bislang darin, dass betroffene Frauen unmittelbar nach einer Fehlgeburt eine Krankschreibung beantragen. Allerdings ist diese Lösung risikobehaftet, da es im Ermessen der Ärztin oder des Arztes liegt, ob sie der betroffenen Frau eine Auszeit gewähren.

Bei der Schutzfrist vor der Entbindung nach § 3 Abs. 1 MuSchG ist zu beachten, dass ein Beschäftigungsverbot in den letzten sechs Wochen vor der Entbindung gilt, wenn sich die betroffene Arbeitnehmerin nicht ausdrücklich zur Arbeit bereit erklärt. Die betroffenen Frauen können also selbst entscheiden, da sie die Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen können. Anders hingegen verhält es sich bei der Schutz nach der Entbindung gemäß § 3 Abs. 2 MuSchG. Hier liegt ein absolutes Beschäftigungsverbot vor, bei der die betroffene Arbeitnehmerin für 8 Wochen nach der Entbindung (beziehungswiese für 12 Wochen bei einer Früh- oder Mehrlingsgeburt) nicht beschäftigt werden darf.

2. Neue gesetzliche Regelung

Mit dem Mutterschutzanpassungsgesetz wird das Mutterschutzgesetz erweitert und der Begriff der „Entbindung“ klar definiert. In § 2 MuSchG wird folgender Absatz 6 eingefügt:

„Eine Entbindung ist eine Lebend- oder Totgeburt. Die Regelungen zur Entbindung finden im Falle einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche entsprechende Anwendung, soweit nicht in diesem oder einem anderen Gesetz Abweichendes geregelt ist.“

Dadurch wird sichergestellt, dass Frauen mit einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche künftig ebenfalls unter den Mutterschutz fallen.

Zusätzlich wird in § 3 MuSchG ein neuer Absatz 5 eingefügt, der eine gestaffelte Schutzfrist nach einer Fehlgeburt vorsieht:

  • Ab der 13. Schwangerschaftswoche: bis zu 2 Wochen Mutterschutz
  • Ab der 17. Schwangerschaftswoche: bis zu 6 Wochen Mutterschutz
  • Ab der 20. Schwangerschaftswoche: bis zu 8 Wochen Mutterschutz

Diese gestaffelte Regelung berücksichtigt die zunehmende körperliche und psychische Belastung mit fortschreitender Schwangerschaft.

Wichtig ist dabei, dass das Beschäftigungsverbot nicht automatisch greift. Eine betroffene Frau kann sich jedoch ausdrücklich bereit erklären, ihre Arbeit weiterhin auszuüben. Diese Entscheidung kann sie jederzeit widerrufen. Diese Regelung gibt Frauen die Flexibilität, individuell zu entscheiden, ob sie die Schutzfristen in Anspruch nehmen oder frühzeitig wieder arbeiten möchten.

3. Praktische Umsetzung für Arbeitgeber

Die Änderungen des Mutterschutzgesetzes durch das Mutterschutzanpassungsgesetz haben für Arbeitgeber erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen. Hier sind die wichtigsten Punkte, auf die Arbeitgeber in der Praxis achten müssen, sowie einige arbeitsrechtliche Tipps zur Umsetzung:

1. Sensibler Umgang mit betroffenen Mitarbeiterinnen

  • Eine Fehlgeburt ist eine äußerst belastende Erfahrung. Arbeitgeber sollten daher mitfühlend und respektvoll kommunizieren.
  • Eine Mitteilungspflicht zur Schwangerschaft oder Fehlgeburt besteht zwar nicht, jedoch können Schutzmaßnahmen nur greifen, wenn die Mitarbeiterin den Arbeitgeber informiert, § 15 MuSchG.

 

2. Kein automatisches Beschäftigungsverbot

  • Der Mutterschutz nach einer Fehlgeburt tritt nicht automatisch ein. Die betroffene Arbeitnehmerin kann selbst entscheiden, ob sie weiterhin arbeiten möchte.
  • Der Arbeitgeber muss eine transparente Kommunikation und Dokumentation sicherstellen, insbesondere wenn die Arbeitnehmerin sich entscheidet, die Arbeit fortzusetzen.
  • Nicht erforderlich ist – anders als bislang – eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit. Lassen Sie sich einen Nachweis über die Fehlgeburt vorlegen, da für den Beginn der Schutzfrist der Tag der Fehlgeburt maßgeblich ist.

 

3.  Anpassung der internen Prozesse und Richtlinien

  • Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass die neuen Schutzfristen korrekt umgesetzt werden.
  • Schulen Sie Ihre Führungskräfte und HR-Teams zu den neuen Regelungen, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Falls es betriebliche Regelungen zum Mutterschutz gibt, sollten diese überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

 

4. Einhaltung der Mutterschutzfristen

  • Arbeitgeber sind verpflichtet, die neuen Mutterschutzfristen gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 MuSchG einzuhalten. Ein Verstoß kann gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 MuSchG mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 EUR geahndet werden.

 

5. Kurzfristige Personalplanung sicherstellen

  • Da Arbeitnehmerinnen ihren Wiedereinstieg jederzeit widerrufen können, muss der Arbeitgeber auf kurzfristige Abwesenheiten vorbereitet sein.
  • Möglichst flexible Lösungen für Vertretungen oder Arbeitsumverteilungen einplanen.

 

6. Erstattung der Mutterschutzleistungen

  • Während der Schutzfrist haben Frauen Anspruch auf Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld.
  • Arbeitgebern entstehen keine finanzielle Mehrbelastung, da Sie die gezahlten Leistungen vollständig über die Umlageversicherung U2 über die Krankenkasse erstatten lassen können.

 

4. Fazit

Mit den Änderungen durch das Mutterschutzanpassungsgesetz erhalten Frauen, die nach der 13. Schwanger­schaftswoche eine Fehlgeburt erleiden, erstmals Anspruch auf Mutterschutz. Diese Neuerung bietet den betroffenen Frauen in einer schwierigen Zeit wichtige Unterstützung und Flexibilität.

Für Arbeitgeber bedeutet die neue Regelung eine notwendige Anpassung an gesetzliche Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf die korrekte Umsetzung der Schutzfristen und die Berücksichtigung der individuellen Entscheidung der betroffenen Frauen, ob sie die Schutzfristen in Anspruch nehmen oder früher wieder arbeiten möchten. Die korrekte Kommunikation und Dokumentation der Schutzfristen sowie eine enge Zusammenarbeit mit HR-Abteilungen und Führungskräften sind entscheidend. Arbeitgeber sollten sich also frühzeitig auf die Änderungen vorbereiten, um eine rechtssichere und reibungslose Umsetzung sicherzustellen.