Was hat das neue Jahr im Arbeitsrecht bisher gebracht?
Wenige Monate nach dem Jahreswechsel zeigt sich, das neue Jahr hat bereits spürbare Veränderungen im Arbeitsrecht mit sich gebracht. Allen voran durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV.
1. Textform statt Schriftform – Das Bürokratieentlastungsgesetz IV bringt Bewegung in ein verstaubtes Regelwerk
Seit dem 1. Januar 2025 ist das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV) in Kraft und damit verbunden eine weitreichende Reform, die das Arbeitsrecht an entscheidenden Stellen modernisiert. Im Mittelpunkt steht die Reform des Nachweisgesetzes. Arbeitgeber dürfen die für Beschäftigte so wichtigen Nachweise über wesentliche Arbeitsbedingungen künftig in Textform, also zum Beispiel per E-Mail oder PDF, erteilen. Ein Meilenstein für die digitale Arbeitswelt, aber kein Freifahrtschein. Die neuen Regelungen bringen Erleichterungen, stellen aber auch klare Anforderungen an Technik, Transparenz und Nachvollziehbarkeit.
2. Rechtssicherheit trifft Digitalisierung – Was genau ist neu?
Bisher galt für Nachweise im Sinne des Nachweisgesetzes ein strenges Schriftformerfordernis. Arbeitgeber mussten die wichtigsten Arbeitsbedingungen schriftlich fixieren, eigenhändig unterschreiben und dem Arbeitnehmer aushändigen. Das war nicht nur arbeitsaufwändig, sondern wirkte in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt aus der Zeit gefallen. Das BEG IV schafft hier Abhilfe, allerdings nicht ohne Hürden.
Die neue gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG erlaubt ausdrücklich die Erteilung des Nachweises in Textform. Doch die Voraussetzungen dafür sind hoch. Die Nachweise müssen dem Arbeitnehmer dauerhaft zugänglich, speicherbar und ausdruckbar sein. Insbesondere bedeutet dies, dass die Erteilung via Messenger (WhatsApp, Facebook etc.), über flüchtige Kommunikationsmittel oder per Speichermedien wie USB-Sticks oder CDs ist rechtlich bedenklich ist. Stattdessen sind E-Mails mit PDF-Anhang oder Dokumente über geschützte Mitarbeiterportale das Mittel der Wahl, sofern diese technisch bestimmte Standards erfüllen.
3. Nachweis in Textform – aber bitte rechtssicher
Ein zentrales Thema ist die Beweiskraft des digitalen Nachweises. Aus dem übermittelten Dokument muss klar und nachvollziehbar hervorgehen, dass es vom Arbeitgeber stammt. Ein bloßes Dokument ohne identifizierbaren Absender reicht nicht aus. In der Praxis genügt häufig ein Absendervermerk in der E-Mail, ein firmentypischer Namensblock oder ein Scan mit Unterschriftsfaksimile. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nicht verpflichtend, aber empfehlenswert.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, sich vom Arbeitnehmer eine Empfangsbestätigung einzuholen. Das war bislang nicht notwendig und wird in der Praxis für mehr Aufwand sorgen. Doch ohne diesen Nachweis erfüllt der Arbeitgeber seine gesetzliche Pflicht nicht vollständig.
4. Portale und Cloud-Lösungen – eine Grauzone?
Die wohl umstrittenste Frage in der Praxis betrifft die Verwendung von Mitarbeiterportalen oder cloudbasierten Lösungen. Können Arbeitgeber die Nachweise einfach dort ablegen? Die Antwort: Nur unter engen Voraussetzungen. Es muss gewährleistet sein, dass Arbeitnehmer die Informationen dauerhaft und unverändert abrufen, speichern und ausdrucken können. Zudem muss der Zugang auch nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses für eine angemessene Zeitspanne bestehen bleiben, etwa zur Durchsetzung offener Ansprüche. Unternehmen, die hier auf der sicheren Seite sein wollen, müssen also technisch wie organisatorisch gut aufgestellt sein.
5. Nicht für alle Branchen und nicht ohne Rückfalloption
Trotz des Digitalisierungsfortschritts bleibt die Nachweiserteilung in bestimmten besonders sensiblen Branchen, wie etwa Bau, Logistik, Spedition, Gastronomie und Beherbergung, weiterhin ausschließlich in Schriftform zulässig. Hintergrund ist das erhöhte Schutzbedürfnis der dort Beschäftigten. Gerade für kleinere Betriebe, die auf digitale Prozesse angewiesen wären, ist das ein Rückschlag.
Und selbst bei erlaubter Textform haben Arbeitnehmer ein starkes Recht. Sie können jederzeit eine schriftliche Nachunterrichtung verlangen, selbst wenn ihnen zuvor ein digitaler Nachweis erteilt wurde. Arbeitgeber tun also gut daran, auf entsprechende Nachforderungen vorbereitet zu sein.
6. Zusammenfassung: Das Wichtigste in Kürze
- Textform zulässig: Nachweise über Arbeitsbedingungen dürfen nun digital in Textform (z. B. per E-Mail, PDF) erfolgen, sofern sie zugänglich, speicherbar und ausdruckbar sind.
- Beweiskraft beachten: Der Nachweis muss erkennbar vom Arbeitgeber stammen – z. B. durch Absenderangabe, Namensblock oder Scan mit Unterschrift.
- Empfangsnachweis notwendig: Der Arbeitgeber muss sich vom Arbeitnehmer den Erhalt bestätigen lassen.
- Branchenausschluss: In besonders risikobehafteten Branchen wie Bau, Logistik und Gastronomie bleibt die Schriftform zwingend.
- Portallösungen unter Bedingungen möglich: Nur wenn Zugriff, Speicherung, Unveränderbarkeit und Druckmöglichkeit technisch gesichert sind.
- Rückfallrecht auf Schriftform: Arbeitnehmer dürfen jederzeit einen schriftlichen Nachweis verlangen.
- Vertragsschluss in Textform: Arbeitsverträge können auch digital abgeschlossen werden, wenn beide Parteien korrespondierende Textform-Erklärungen austauschen.