"Workation“ und andere Formen des Tätigwerdens im Ausland
Sommer, Sonne, Urlaubszeit – wer würde hier nicht gerne in die Verlängerung gehen? Spätestens seit der Corona-Pandemie wünschen sich viele Arbeitnehmer*innen aus dem Ausland heraus tätig zu werden, sei es, um die Annehmlichkeiten eines Urlaubsortes länger genießen zu können oder sei es aus anderen, z. B. familiären Gründen. Für Arbeitgeber, die diesem Wunsch vor allem unter dem Gesichtspunkt der Mitarbeiterzufriedenheit häufig gerne nachkommen möchten, ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland aber nicht ohne Risiken.
Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Konstellationen und deren Risiken bzw. Lösungsansätze geben. Dieser Überblick bezieht sich allein auf arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Gesichtspunkte. Es ist stets zu berücksichtigen, dass jede – auch nur kurzfristige! – Beschäftigung von Arbeitnehmer*innen im Ausland zudem nicht unerhebliche steuerliche Konsequenzen haben kann, die vor der geplanten Tätigkeit im Ausland sorgsam geprüft werden sollten. Bei dem Tätigwerden in Nicht-EU-Staaten sollten zudem immigrationsrechtliche Anforderungen im Blick behalten werden.
Mögliche Konstellationen
In der Praxis kommen regelmäßig die folgenden Konstellationen vor: „Workation“ (einmaliges und kurzfristiges Tätigwerden im Ausland), häufigeres Tätigwerden im Ausland (Zweitwohnsitz / Ferienwohnung) und das dauerhafte Homeoffice im Ausland.
„Workation“
Welches Recht findet Anwendung?
Das Arbeitsrecht knüpft für die Anwendung in- oder ausländischen Rechts an den gewöhnlichen Beschäftigungsort an, sofern im Arbeitsvertrag keine Rechtswahl getroffen worden ist. Der gewöhnliche Beschäftigungsort ändert sich nicht, wenn die Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet wird, so dass bei einer kurzfristigen Dauer in der Regel weiterhin deutsches Recht Anwendung findet. Allerdings können sog. Eingriffsnormen in dem jeweiligen Staat zu berücksichtigen sein. Dies sind Normen, die aufgrund ihrer Bedeutung immer und unabhängig von dem sonst geltenden Recht Anwendung finden, z. B. Regelungen zum Arbeitsschutz oder zum Schutz besonderer Personengruppen wie Schwangere oder Schwerbehinderte. Es empfiehlt sich, in Bezug auf die geltenden Eingriffsnormen vorab eine Information einzuholen.
Muss zusätzlich etwas mit den Arbeitnehmer*innen vereinbart werden?
Der Abschluss einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ist nicht zwingend erforderlich, sofern die Tätigkeit im Ausland nur von kurzer Dauer, jedenfalls nicht länger als vier aufeinander folgende Wochen, ist. Dauert sie länger als vier Wochen, so ist gemäß Nachweisgesetz jedenfalls eine schriftliche Information über folgende Bedingungen erforderlich: das Land oder die Länder, in dem / in denen die Tätigkeit erbracht wird, die geplante Dauer, die Währung, in der die Entlohnung erfolgt, (sofern vereinbart) mit dem Auslandsaufenthalt verbundene Geld- oder Sachleistungen, insbesondere Zulagen und zu erstattende Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten, die Angabe, ob eine Rückkehr des Arbeitnehmers vorgesehen ist, und gegebenenfalls die Bedingungen der Rückkehr. Es empfiehlt sich daher, die „Workation“ auf maximal vier Wochen zu begrenzen.
Was gilt in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht?
Innerhalb der EU / EWR / Schweiz gilt grundsätzlich das Tätigkeitsprinzip. Das Recht des Staates findet danach Anwendung, in dem der Arbeitnehmer tätig wird (VO (EG) Nr. 883/2004). Bei einer Tätigkeit in Drittstaaten kann es auf Regelungen etwaiger bestehender Sozialversicherungsabkommen ankommen. Bei geplanten Auslandsaufenthalten (z. B. Entsendungen) kann bis zu 24 Monate noch das Sozialversicherungsrecht des entsendenden Staates Anwendung finden. Entsendungen erfolgen allerdings regelmäßig auf Initiative des Arbeitgebers, der Wunsch im ausländischen Homeoffice zu arbeiten auf Initiative der Arbeitnehmer*innen. Die Sozialversicherungsträger haben hierzu Stellung genommen: Die Voraussetzungen einer Entsendung können auch bei einer Tätigkeit im Homeoffice auf eigenen Wunsch der Arbeitnehmer*innen vorliegen, so dass keine Sozialversicherungspflicht im Ausland begründet wird. Es kann allerdings die Beantragung / Vorlage der A1-Bescheinigung, mit der die Versicherung im Heimatland nachgewiesen wird, erforderlich sein. Bei Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts gilt zudem § 8 I 3 SGB VII (neu): Es besteht Unfall-Versicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice und bei Mobilarbeit im gleichen Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit in der Unternehmensstätte.
Es ist zu beachten, dass zudem lokale Melde- und Registrierungspflichten bestehen können.
Wiederkehrende Tätigkeit im Ausland (Zweitwohnsitz / Ferienhaus)
Welches Recht findet Anwendung?
Hinsichtlich der Anwendbarkeit des deutschen materiellen Arbeitsrechts und hinsichtlich der Eingriffsnormen auf lokaler Ebene im Ausland gilt grundsätzlich das Gleiche wie im Falle der „Workation“.
Muss zusätzlich etwas mit den Arbeitnehmer*innen vereinbart werden?
Als Handlungsempfehlungen sollte unabhängig von den Anforderungen des Nachweisgesetzes Folgendes in eine schriftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien aufgenommen werden: Vorsorglich Anwendbarkeit deutschen Rechts, Dauer der Arbeitsperioden im Ausland, Regelungen zu insbes. (IT-)technischen Anforderungen an den Arbeitsplatz und den Datenschutz, die Nutzung von Arbeitsmitteln, Verteilung der Arbeitszeit, Arbeitszeiterfassung und Erreichbarkeit, Ausschluss der Vergütung für Wegzeiten bzw. Fahrtkosten zur frei gewählten Arbeitsstelle, Rückholrecht des Arbeitgebers / Widerrufsklausel.
Was gilt in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht?
Wie bereits beschrieben, gilt das Tätigkeitsprinzip, so dass grundsätzlich bei wiederkehrender Tätigkeit im Ausland auch dort Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind. Eine Ausnahme besteht bei einer regelmäßigen Tätigkeit im Ausland (EU / EWR/ Schweiz), wonach der Verbleib im deutschen Sozialversicherungssystem möglich ist; eine regelmäßige Tätigkeit beinhaltet auch ausländisches Homeoffice. Arbeitnehmer*innen verbleiben in diesem Fall im deutschen Sozialversicherungssystem,
- Wenn sie regelmäßig in Deutschland und im ausländischen Homeoffice tätig sind (Vorhersehbarkeit und Regelmäßigkeit erforderlich, z. B. mindestens an einem Tag im Monat oder an fünf Tagen im Jahr; arbeitsvertragliche Regelungen wichtiges Indiz),
- sie ihren Wohnsitz in Deutschland haben,
- sie in Deutschland entweder einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausüben oder mindestens 25 %,
- nur bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, dessen Sitz in Deutschland liegt.
Bei unregelmäßiger und / oder ungeplanter Tätigkeit findet dieser Ausnahmetatbestand keine Anwendung. Bei einer Tätigkeit in Drittstaaten kann es auf Regelungen etwaiger bestehender Sozialversicherungsabkommen ankommen.
In jedem Fall sollte eine rechtzeitige Abstimmung der Tätigkeiten im Vorfeld mit der zuständigen Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) oder dem zuständigen Spitzenverband Bund der Krankenkassen in Deutschland erfolgen und die erforderlichen(n) Bescheinigung(en) (ggf. A1-Bescheinigung) / Genehmigungen beantragt werden. Der zuvor beschriebene Ausnahmetatbestand kann nur bei Einhaltung der vorgeschriebenen Mitteilungspflichten greifen.
Dauerhaftes Homeoffice im Ausland
Welches Recht findet Anwendung?
Auch hier gilt: Haben die Arbeitsvertragsparteien keine Rechtswahl getroffen, so unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem die Arbeitnehmer*innen gewöhnlich ihre Tätigkeit erbringen. Bei einer dauerhaften Tätigkeit im Ausland führt dies folglich grundsätzlich zur Anwendbarkeit ausländischen Rechts. Ist die Anwendbarkeit deutschen Rechts im Arbeitsvertrag vereinbart, kann es zur Anwendung von sog. Mischrecht (deutsches Recht und lokales Recht) kommen: Da der gewöhnliche Beschäftigungsort im Ausland liegt, darf dadurch den Arbeitnehmern*innen nicht der Schutz entzogen werden, dem sie unterliegen würden, wenn das Recht des gewöhnlichen Beschäftigungsortes gelten würde und nicht durch Rechtswahl abgewichen werden würde (Geltung von sog. zwingenden Bestimmungen, z. B. Mindestlohn). Zusätzlich können – wie im Falle der beiden anderen Optionen – Eingriffsnormen gelten, und es sind mögliche lokale Melde- und Registrierungspflichten zu beachten.
Muss zusätzlich etwas mit den Arbeitnehmer*innen vereinbart werden?
Der Abschluss des Arbeitsvertrages ist ausreichend, sofern das ausländische Recht nicht weitergehende / sonstige Anforderungen trifft. Es sollte vorher geprüft werden, ob die Vereinbarung der Anwendbarkeit von deutschem Recht sinnvoll ist.
Was gilt in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht?
Erfolgt gar keine Tätigkeit in Deutschland, gilt ausländisches Sozialversicherungsrecht. Bei einer Tätigkeit in Drittstaaten kann es auf Regelungen etwaiger bestehender Sozialversicherungsabkommen ankommen. Bei Unklarheiten sollte in jedem Falle auch hier eine Abstimmung mit dem zuständigen Sozialversicherungsträger erfolgen. Außerdem sollten – wie in den anderen Fällen – auch lokale Registrierungs- und Meldepflichten zur Abführung der Sozialversicherung im Ausland beachtet werden.